Montag, 28. Juli 2008

Venezolanische "Misswirtschaft" in Zahlen

In unseren Medien wird die Wirtschaftspolitik der venezolanischen Regierung unter Hugo Chávez oft als katastrophal dargestellt. Fast in jedem Artikel über Venezuela wird über "Misswirtschaft" berichtet.

Wenn man sich mit den Wirtschaftskennzahlen beschäftigt, sieht das Bild ganz anders aus. Die venezolanische Regierung ist nicht nur erfolgreich bei der Sozialpolitik (z.B. Armutsbekämpfung), sondern auch in der herkömmlichen Wirtschaftspolitik.

Eine Untersuchung des US-amerikanischen Zentrums für Wirtschafts- und Politikforschung mit Sitz in Washington beschäftigte sich mit diesem Thema genauer und veröffentlichte die Studie "Die venezolanische Wirtschaft in den Zeiten Chávez’". Eine kurze deutschsprachige Zusammenfassung der Analyse findet man bei der Linkszeitung. Die komplette aktualisierte Studie in Englisch finden Sie hier im Anschluss. Desweiteren finden Sie unter der Studie auch noch weitere Wirtschaftskennzahlen, die für sich selbst sprechen:




Wirtschaftswachstum

Bruttoinlandsprodukt (Veränderung in %, real)

1998: -1%
1999: -7,2%
2000: +3,2%
2001: +2,8%
2002: -8,9% (Putsch)
2003: -7,7% (Sabotage der Ölindustrie durch die Opposition)
2004: +18,3%
2005: +10,3%
2006: +10,3%
2007: +8,4%
2008: +5,6% (Prognose)
2009: +3,5% (Prognose)

Quelle: Bundesagentur für Außenwirtschaft und Wikipedia


Wirtschaftswachstum nach Sektoren (real, %) - 2007

verarbeit. Industrie +7,2; Baugewerbe +13,3; Handel +16,9; Transport/Logistik +13,5; Telekommunikation +20,0; Immobilien u. Unternehmensdienstl. +6,6; Erdöl -4,2; Elektrizität/Wasser +2,3; Bergbau +2,0; Finanzen +17,0

Quelle: Bundesagentur für Außenwirtschaft

Anteil und Wachstum des BIP nach erzeugenden Wirtschaftszweigen 2005


Erdöl: 16,0% (+1,7%); Industrie 17,2% (+9,1%); Öff. Dienstleistungen: 12,4% (+8,0%); Imm./Untern-Dienstlstg. 9,9% (+6,7%); Handel 9,2% (+19,5%); Baugewerbe 5,7% (+20,1%); Transport, Logistik 3,5% (+12,9%); Telekommunikation 3,3% (+19,8%); Finanzen (2,8%) (+30,8%); Sonstiges 20,0%

Die Wachstumsrate der Ölförderung ist gering, da der steigende Preis nicht in die Berechnung eingeht und die Fördermengen aufgrund der OPEC-Vereinbarungen gedrosselt werden.

Quelle: Amerika21.de

Inflation

1989: 81.0%
1990: 36.5%
1991: 31.0%
1992: 31.9%
1993: 45.9%
1994: 70.8%
1995: 56.6%
1996: 103.2%
1997: 37.6%
1998: 29.9%

Seit Chavez:

1999: 20.0%
2000: 13.4%
2001: 12.3%
2002: 31.2% (Putsch)
2003: 27.1% (Sabotage der Ölindustrie durch die Opposition)
2004: 19,2%
2005: 16%
2006: 13,7%
2007: 18,7%

Quelle: Bundesagentur für Außenwirtschaft und Venezuela-Info


Arbeitslosigkeit

2003: 16,8%
2004: 15,3%
2005: 12,2%
2006: 10,0%
Okt. 2007: 7,2%

Quelle: Bundesagentur für Außenwirtschaft und Venezuela-Aktuell


Anteil der in Armut lebenden Personen an der Gesamtbevölkerung

1998: 50,4%
1999: 48,7%
2000: 46,3%
2001: 45,4%
2002: 55,4% (Putsch)
2003: 62,1% (Sabotage der Ölindustrie durch die Opposition)
2004: 53,9%
2005: 43,7%
2006: 39,7%

Quelle: Bundesagentur für Außenwirtschaft

Anteil der in extremer Armut lebenden Personen an der Gesamtbevölkerung

1998: 20,3%
1999: 20,1%
2000: 18,0%
2001: 16,9%
2002: 25,0% (Putsch)
2003: 29,8% (Sabotage der Ölindustrie durch die Opposition)
2004: 22,5%
2005: 17,8%
2006: 12,9%

Quelle: Bundesagentur für Außenwirtschaft

Freitag, 25. Juli 2008

Hat Chávez José María Aznar beleidigt?

Laut einer AFP-Meldung beleidigte der venezolanische Präsident Hugo Chávez bei einem Gipfeltreffen in Chile Spaniens Ex-Regierungschef José María Aznar wiederholt als "Faschist"!

Jedoch glaube ich nicht, dass sich José María Aznar angegriffen fühlt. Man braucht sich nur seine Biografie in der Wikipedia ansehen:

Allerdings war er politisch schon in frühen Jahren bei den extremistischen "falangistas independientes" und in den 1970er Jahren federführend in einer an die Tradition der ursprünglichen faschistischen Organisation Falange Española der 1930er Jahre anknüpfenden Studentenorganisation (FES) aktiv und hielt in dieser Funktion u. a. Reden, in denen er sich klar gegen den Wandel zur Demokratie aussprach.

Im August 2003 wurde bekannt, dass die Regierung Aznar die Stiftung "Fundación Nacional Francisco Franco", deren Aufgabe es ist, sich für das Ansehen des faschistischen Diktators Franco einzusetzen, über das Kulturministerium mit erheblichen Subventionen unterstützte.


Von 1990 bis 2004 war José María Aznar Vorsitzender der Partido Popular. Hier einige Zitate aus Wikipedia über diese Partei:

Die spanische Volkspartei (span. Partido Popular, kurz PP) ist eine konservative politische Partei in Spanien, die 1989 durch Umbenennung aus der 1976 von Manuel Fraga Iribarne, einem früheren Minister der Franco-Diktatur, gegründeten rechtskonservativen Alianza Popular (AP, „Volksallianz“) hervorgegangen ist.

Im Januar 1989 erfolgte zur Krisenbewältigung die Umbenennung der Alianza Popular in „Partido Popular“ (PP). Im folgenden Jahr übergab Fraga die Führung der Partei an José María Aznar. Auch Aznar wurde wie viele seiner politischen Weggefährten vom Franquismus geprägt, er war Funktionär in der franquistischen Studentenorganisation (FES) und sprach sich während der Zeit der Transicion mehrfach öffentlich gegen den Übergang zur Demokratie aus.

Die Partei steht zwar – trotz zahlreicher personeller Kontinuitäten – nicht in formaler Nachfolge der politischen Institutionen der Franco-Diktatur (etwa der Falange). Der PP gilt dennoch bis heute als die Partei, die aus dem einstigen franquistischen Lager hervorgegangen ist.

Bis heute lehnt die Partei auch eine Verurteilung der Franco-Diktatur und deren Verbrechen ab.


Wenn man sich mit den Fakten beschäftigt, muss man zum Schluss kommen, dass Hugo Chávez José María Aznar nicht beleidigt hat!

Kuba hat eine neue Partei

Drei kubanische Oppositionsgruppen haben sich zusammengeschlossen gründeten die sozialdemokratische Partei Arco Progresista (Fortschrittspartei). Im Westen wurde diese neue Gruppierung gefeiert und fast in jeder Zeitung wurde darüber berichtet. Aber was steckt dahinter? Wie mächtig ist diese neue Partei?

Laut Agentur-Meldungen waren beim Gründungsparteitag am 19.07.2008 50 Mitglieder anwesend.(1) Der Sprecher der Partei Manuel Cuesta Morúa spricht von 400 Mitgliedern und 2000 Helfern.(2)

Bei einer Einwohnerzahl von 11,4 Millionen Menschen nur 2000 Leute zu "mobilisieren" ist erbärmlich. Dennoch merkte das Springer-Blatt "Die Welt" bei ihrem Artikel über diese neue Gruppierung an, dass eine Reaktionen der Staatsführung aus steht. Aber was genau soll die Staatsführung zu einer Partei sagen, die so gut wie keine Unterstützer im Land hat? Das wäre so als würde sich in Deutschland Angela Merkel zu der "Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands" äußern, obwohl diese wahrscheinlich einflussreicher als die Partido Arco Progresista ist!


Quellen:
(1) derstandard.at: Oppositionsgruppen gründen Partei: "Kuba braucht Wiedergeburt"
(2) sueddeutsche.de

Dienstag, 22. Juli 2008

Israelischer Soldat schoss auf gefesselten Palästinenser

Ein israelischer Soldat schoss aus nächster Nähe mit einem Hartgummi-Geschoß auf die Füße eines gefesselten Palästinensers. Die israelische NGO B'tselem veröffentlichte ein Video des Vorfalles.



Der Soldat wurde für ein Verhör festgenommen, ist aber mittlerweile wieder frei. Er gab laut des Berichtes während einer Befragung an, sein Kommandant habe ihm den Schießbefehl erteilt. Der Vorgesetzte, der den Palästinenser während des Vorfalls am Arm festhielt, stritt dies jedoch ab. Beide sollen sich zur Klärung nun einer Lügendetektor-Untersuchung unterziehen.

Der Vorfall ereignete sich vor zwei Wochen bei einer Demonstration gegen die israelische Sperranlage in dem Dorf Naalin im besetzten Westjordanland.

Der 27 Jahre alte Ashraf Abu Rahma gab später an, er sei von einem Militärarzt wegen seiner leichten Verletzung behandelt und dann wieder freigelassen worden.

Montag, 21. Juli 2008

Warum die FARC ihre Waffen nicht niederlegen wird

Die ehemalige Gefangene der Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens (FARC) Ingrid Betancourt rief bei einer Demonstration in Paris gegen die Rebellen den Anführer der Organisation, Alfonso Cano, zu Frieden auf. "Verstehe, dass jetzt Zeit ist, das Blutvergießen zu beenden, dass die Zeit gekommen ist, Gewehre mit Rosen zu tauschen"(1)

Ein Teil der FARC tauschte schon einmal die Gewehre gegen Rosen. Im Jahr 1986 gründeten Mitglieder der FARC und der Kommunistischen Partei die Partei "Unión Patriótica". Mit dieser wollten sie auf legalem Weg ihre Ziele erreichen. Das Ergebnis: paramilitärische Gruppierungen und Todesschwadronen ermordeten systematisch 2000-3000 Mitglieder der neuen Partei. Amnesty International machte im April 1988 auf Beteiligung des Militärs an diesen Tötungsaktionen aufmerksam, was die Regierung natürlich abstritt.(2)

Man könnte nun behaupten, dass sich in den letzten 20 Jahren die Situation in Kolumbien geändert hat und so ein Massaker nicht mehr möglich wäre, aber die Zahlen sprechen dagegen. Laut der Kolumbianischen Juristenkommission wurden im Zeitraum vom 7. August 2002 bis zum 7. August 2006 11.292 Personen aus politischen Gründen ermordet oder zum Verschwinden gebracht und weitere 8.810 Personen verloren im Rahmen von Gefechten ihr Leben. Bei den Morden, bei denen die Täterschaft eruiert werden konnte, zeigt sich folgendes Bild: 75,15% fallen in die Verantwortung des Staates, für 14,17% war die Armee direkt verantwortlich und bei 60,98% aufgrund ihrer Toleranz oder Zusammenarbeit mit paramilitärischen Gruppen. Die Guerilla wird für 24,83% der Morde verantwortlich gemacht.(3)

Seit Beginn der 90-er Jahre wurden in Kolumbien über 2.200 GewerkschafterInnen ermordet und knapp 140 entführt. Mehr als 3.400 Todesdrohungen gegen GewerkschafterInnen wurden dokumentiert.(4)

Im laufenden Jahr wurden bereits 26 Morde an gewerkschaftlich organisierten ArbeiterInnen registriert. Im gesamten vergangenen Jahr waren es 39 Morde. Vergleicht man die entsprechenden Zeiträume beider Jahre, so ergibt sich ein Anstieg der Morde um 71 Prozent.(5)

Wenn schon gegen friedliche Gewerkschafter so radikal vorgegangen wird, kann man sich vorstellen wie gegen ehemaligen Guerilleros vorgegangen werden würde.

Diese Fakten sind auch der FARC bekannt und deshalb werden die Rebellen nicht so schnell ihre Waffen niederlegen.

Quellen:
(1) Netzeitung: «Tauscht Gewehre gegen Rosen»
(2) Wikipedia
(3) Arbeitsgruppe Schweiz - Kolumbien ask: Jahresbericht 2006
(4) Amnesty International: Kolumbien: Gefährlicher Alltag für GewerkschafterInnen
(5) Amerika21.de: Lebensgefahr für Gewerkschafter